Lexikon
Art Brut

Der Begriff "Art Brut" ist eine Wortschöpfung des Malers Jean Dubuffet (1901-85), die er im Jahr 1945 kreierte. Im selben Jahr umriss Jean Dubuffet in einem Brief an Charles Ladame erste Überlegungen zur Art Brut: "Zeichnungen, Gemälde, Kunstwerke aller Art, die von Unbekannten, von Besessenen geschaffen wurden, die durch spontane Impulse entstanden, die von Phantasie und Tollheit beseelt sind und sich nicht in den alten Gleisen der katalogisierten Kunst bewegen." Aus diesen Grundgedanken entwickelte Jean Dubuffet im Laufe der Jahre ein Theoriegebäude.
Ob ein Werk als Art Brut-Kunst bezeichnet werden konnte, war in erster Linie abhängig von seinem Schöpfer, der als Autodidakt ohne akademisch-künstlerische Schulung jenseits bestehender Kunstströmungen und Künstlergruppen nicht für ein Publikum, sondern in erster Linie für sich selbst arbeitete. Zu dieser Künstlergruppe zählten demnach unter anderem psychisch Kranke, Kinder und Strafgefangene. Art Brut-Kunst umfasst die verschiedensten Gattungen, wobei Malerei und Graphik gegenüber der Plastik überwiegen. Häufig wurde mit Buntstiften gemalt und gezeichnet, daneben verwendeten die Künstler unterschiedlichstes Arbeitsgerät wie Kugelschreiber, Tinte, Aquarellfarben, Holz, Stoff und Baumrinden. Es existiert kein einheitlicher Stil. Neben dem wichtigsten Vertreter Adolf Wölfli (1864-1930) zählen unter anderem Aloyse, Carol Bailly, Gaston Chaissac, Henry Darger, Paul Goesch, Vojislav Jakic, Hans Krüsi, Reinhold Metz, Armand Schulthess und Josef Wittlich zu den Art Brut-Künstlern.
Die Entstehung der Art Brut wurde begleitet durch die Etablierung des "Foyer de l'Art Brut" im Jahr 1947 in der Galerie René Drouin in Paris, die als Forum für diese Kunst fungierte. Diese Ausstellung legte zugleich den Grundstein für den 1948 gegründeten Verein "Compagnie de l'Art Brut", dessen Initiatoren neben Jean Dubuffet unter anderem André Breton und Michel Tapié waren. Die Compagnie widmete sich der Erforschung und Sammlung der Art Brut. Aus der regen Sammlungstätigkeit ging schließlich die "Collection de l'Art Brut" hervor, die als Schenkung der Stadt Lausanne übereignet wurde und seit 1976 im dortigen Château de Beaulieu zu sehen ist.