Lexikon
Graffiti Movement

Die Subkultur hatte die Avantgarden des 20. Jahrhunderts vielfach befruchtet - so auch im Falle jener Strömung, die als "Graffiti Movement" bekannt geworden ist. Ihren Schwerpunkt hatte die in den späten 1970er Jahren entstandene Bewegung in der Mitte der 1980er Jahre in den USA.
Das Graffiti Movement ist durch eine Stilsprache charakterisiert, die sich an den Graffitis des öffentlichen Raums orientiert und über diesen Weg zu einer neuartigen Ästhetik gelangt. Wie das Graffiti selbst ist somit auch die vom Bildträger Wand gelöste Kunst des Graffiti Movement stilistisch überaus vielfältig; verbindendes Element ist jedoch eine häufig festzustellende Betonung von Zeichen und Symbolen.
Die Motivation des Graffiti, dessen Traditionslinie bis in die Antike zurückverfolgt werden kann, reicht von Selbstdarstellung über Zerstörungswillen, Unfug und politische oder gesellschaftliche Beeinflussung bis hin zum individuellen künstlerischen Ausdruck. So entstanden gerade ab den 1970er Jahren auch immer wieder echte Kunstwerke an schmucklosen Hauswänden, auf Zügen oder U-Bahn-Waggons, deren unter artifiziellen Pseudonymen agierende Urheber zu Helden ganzer Generationen wurden. Auch der Kunsthandel entdeckte in den 1980er Jahren besonders in New York das Graffiti für sich, und viele der Künstler folgten bald dessen Ruf und gingen als "Galeristen-Sprayer" den Weg von der Subkultur in den Kommerz. Einzelne Sprayer wie der Zürcher Harald Naegeli (geb. 1939) erlangten im Zuge der Popularisierung des Graffiti mit ihrem individuellen Stil Weltruhm und werden heute längst nicht mehr als Straftäter, sondern als bedeutende Künstler eingestuft.
Die Hauptvertreter des Graffiti Movement in der Tafelmalerei und der Graphik waren zwei früh verstorbene Künstler: Keith Haring (1958-90) and Jean-Michel Basquiat (1960-88). Beide hatten ihre Wurzeln im illegalen Graffiti und pflegten diesen Stil auch in Malerei und Graphik weiter, wo er sich mit Elementen anderer Strömungen wie der Pop Art oder dem Neoexpressionismus vermengte. Keith Haring gelangte über die Beschäftigung mit dem Graffiti zu geradezu urtümlich vereinfachten, visuell wirkungsvollen Zeichencodes, während Jean-Michel Basquiat zu einer äußerst expressiven Bildsprache fand.
Nicht nur in den USA, auch in Europa infizierte Graffiti in den 1980er Jahren die Kunst: Zu nennen sind exemplarisch A. R. Penck (geb. 1939) oder Rémy (Rémi) Blanchard (1958-93) und Robert Combas (geb. 1957) von der "Figuration Libre".