Lexikon
Konkrete Kunst vor 1945

Die Konkrete Kunst entwickelte sich in den 1920er Jahren als bewusster Gegenentwurf zur abstrakten Kunst. Gerade im Vergleich beider Kunstformen manifestiert sich der ebenso revolutionäre wie radikale Anspruch der Konkreten Kunst. Zwar bediente sich die Konkrete Kunst derselben bildnerischen und gestalterischen Mittel wie die geometrisch-abstrakte Kunst, doch liegt der fundamentale Unterschied darin, dass Konkrete Kunst nicht länger vom Gegenständlichen abstrahiert und somit auch keine Bezugnahme auf die erfahrbare Realität herstellt. Vielmehr verweisen Winkel, Linien und klar umrissene geometrische Farbflächen einzig auf sich selbst und schaffen dadurch eine eigene bildimmanente Kunstwirklichkeit. In Anlehnung an G.W.F. Hegel findet darüber hinaus der geistige Vorgang des Kunstschaffens in den klar strukturierten Werken visuellen Ausdruck. Charakteristisch für die Konkrete Kunst ist ferner, dass der Einsatz der bildnerischen Mittel Farbe, Linie, Fläche und Raum nach logischen Gesetzmäßigkeiten vonstattengeht.
Obwohl Theo van Doesburg (1883-1931) die Bezeichnung Konkrete Kunst bereits 1924 prägte, erfolgte erst 1930 im Zuge der Gründung der Gruppe "Art Concret", zu deren Kreis unter anderem Jean Hélion, Léon Tutundjian und Marcel Wantz gehörten, die theoretische Fundierung dieser Kunstform. In der ersten - und einzigen - Nummer der Zeitschrift "Art Concret" veröffentlichte Theo van Doesburg das Manifest der Konkreten Kunst und erläuterte, dass ein Bildelement keine andere Bedeutung als sich selbst habe und folglich auch das Gemälde nichts anderes als sich selbst bedeute.
Für die Verbreitung der Konkreten Kunst noch in den 1930er Jahren sorgte neben der Gruppe "Art Concret" auch die 1931 gegründete Vereinigung "Abstraction-Création". Die wegweisenden Impulse der Konkreten Kunst fielen insbesondere in der Schweiz auf fruchtbaren Boden, entstanden hier doch mit der Zürcher Schule der Konkreten und der Gruppe "Allianz" wichtige Künstlervereinigungen. Die wichtigsten Schweizer Konkreten Künstler sind Max Bill, Camille Graeser und Richard Paul Lohse.
Auch nach 1945 fand ein reger künstlerischer Austausch statt, der bis weit über die Grenzen der Konkreten Kunst hinaus auf Kunstströmungen wie Hard Edge und Colour Field Painting wirkte.