Lexikon
Modernismo in Spanien

Um 1900 befand sich das künstlerische Zentrum Spaniens in Katalonien bzw. in der katalanischen Hauptstadt Barcelona. Dort blühte ab ca. 1875 der "Modernismo", der spanische Jugendstil, der auf katalanisch "Modernisme" genannt wird. Andere Namen wie "Arte Joven" sind weniger gebräuchlich. Der Aufschwung des dortigen kulturellen und intellektuellen Lebens steht mit der guten wirtschaftlichen Lage der Region im Zusammenhang. Eine blühende Metall- und Textilindustrie sorgte für ein explosives Wachstum, das in Spanien sonst unbekannt war. In diesem Kontext verschärfte sich der bereits jahrhundertlange Widerstand Kataloniens gegen die Zentralmacht Kastiliens. So unterstrich die fast ausschließliche Verwendung der eigenen Sprache, des Katalanischen, das nationale Selbstbewusstsein.
Die Kunst dieser Epoche ist sowohl vom wirtschaftlichen Aufschwung als auch von der nationalistischen Ausrichtung der katalanischen Kultur geprägt. In erster Linie ist hierbei die neue Architektur zu nennen, darunter vor allem das Werk Antoni Gaudís (1852-1926). Wie einige andere katalanische Künstler gehörte Gaudí zum 1893 gegründeten "Cercle Artístic de Sant Lluc". Dieser Künstlerkreis stand dem Stadtbürgertum sowie der Bohème kritisch gegenüber. Die ländlichen Ideale der Mitglieder des "Cercle Artístic de Sant Lluc" zeichnen sich durch einen ausgeprägten katholischen Mystizismus aus, der sowohl den Materialismus als auch den Ästhetizismus ablehnte. Diese Überzeugungen spiegeln sich in den Bauten Gaudís wider, die formal von einer Mischung aus gotischen, maurischen und byzantinischen Elementen gekennzeichnet sind. Das Ergebnis ist eine faszinierende, irrationale und fantastische Bilderwelt, die sowohl in Palästen, Villen und Parks, als auch in seinem Hauptwerk, der Kirche "La Sagrada Familia", präsent ist.
Höhepunkte des "Modernismo" finden sich auch in der Malerei. Der Begriff umfasst eine Vielfalt an Werken, die sich stilistisch und thematisch teilweise wesentlich voneinander unterscheiden. So gehören sowohl die bürgerlichen Szenen von Ramón Casas (1866-1932) als auch die kosmopolitischeren Werke von Santiago Rusiñol (1861-1931) und Hermen Anglada Camarasa (1871-1959) dem malerischen "Modernismo" an. Vor allem die Gemälde Anglada Camarasas veranschaulichen einen mit dem französischen "Art Nouveau" verwandten Sinn für die fließende Linienbewegung und für die auf Farbflächen basierende Komposition. Die meisten Künstler und Literaten der Bewegung trafen sich in Barcelona in einem nach Pariser Vorbild entstandenen Café, "Els Quatre Gats", das zum geistigen Mittelpunkt des "Modernismo" wurde. Dazu zählte auch der junge Pablo Picasso, dessen frühe Werke dem Jugendstil zuzuordnen sind.
Ab 1905 löste sich der "Modernismo" langsam auf. Weitere wichtige Vertreter dieser Epoche sind unter anderen Lluís Doménech i Montaner, Josep Puig i Cadafalch, Josep Maria Jujol, Cèsar Martinell, Isidre Nonell, Ramón Pichot, Ricard Canals, Ricard Opisso, Carles Casagemas und Joachim Mir.